Als eines der wenigen unabhängigen Verlagshäuser Ostdeutschlands kann sich der Mitteldeutsche Verlag seit 75 Jahren trotz teils unüberwindbar erscheinender Schwierigkeiten in der Buchbranche behaupten. Sein Werdegang ist eng mit der jüngeren deutschen Geschichte verflochten:
Der Mitteldeutsche Verlag 1946–1989
Gegründet am 24. April 1946, erscheinen anfangs Formulare und Gesetzblätter, Halles erstes Nachkriegs-Adressbuch, Bildbände, Kinderbücher und Musiknoten. Anfang der 1950er Jahre wird der Mitteldeutsche Verlag staatlicherseits auf die Förderung von in der DDR lebenden Autor*innen festgelegt. Einen ersten Bekanntheitsschub erzielt der Verlag mit dem inzwischen zweimal verfilmten Welterfolg „Nackt unter Wölfen“ von Bruno Apitz (1958). Die Entwicklung des Verlags und seiner ostdeutschen Autor*innen spiegelt auch die jeweilige gesellschaftliche Situation. So findet sich der Verlag in der DDR bald zwischen allen Stühlen: Einerseits will man gute Literatur fördern, andererseits muss man sich den offiziellen Erwartungen an das Buchprogramm anpassen. Daraus erwächst in der täglichen Verlagspraxis ein Geflecht widersprüchlicher Verhaltensweisen. Nicht selten ist der Verlag verständnisvoller Förderer und kollegialer Diskussionspartner der Autor*innen und zugleich (Vor-)Zensor. Vor diesem Hintergrund erscheinen dennoch zahlreiche Werke von Autor*innen wie Volker Braun, Christa Wolf, Elke Erb, Werner Heiduczek, Reiner Kunze, Erik Neutsch, Erich Loest und Günter de Bruyn, die sich offen und kritisch der Gegenwart stellen. Damit gehört der Mitteldeutsche Verlag zu den bedeutendsten belletristischen Verlage der DDR, dessen Bücher vielfach im Mittelpunkt öffentlicher Diskussionen stehen.
Der Mitteldeutsche Verlag 1989–1997
Die deutsche Wiedervereinigung bringt neue Herausforderungen. 1990 erfolgt die Privatisierung des Verlages durch Management-Buy-out. In der Folge muss sich der Verlag von vielen seiner Autor*innen und auch Mitarbeiter*innen trennen. Trotz großer Probleme gelingt es dem Verlag, ein neues Profil mit den Schwerpunkten Regionalia und Belletristik zu entwickeln. Doch die Altlasten wiegen schwer, die Konkurrenz im neuen Deutschland ist eine gänzlich andere. 1996 muss der Verlag Insolvenz anmelden. Eine neu gegründete Gesellschaft erwirbt 1997 den Namen und die Buchbestände des Verlages. Langsam beginnt der Neuaufbau des traditionsreichen Verlagshauses, der auch neue programmatische Ausrichtungen mit sich bringt.
Der Mitteldeutsche Verlag heute
In den letzten 20 Jahren hat sich der Verlag auf vier Programmsäulen fokussiert. Er verlegt (wieder) anspruchsvolle aktuelle Belletristik (u.a. Andreas Apelt, Christopher Ecker, Tanja Langer, Michael G. Fritz, Nele Heyse, Christine Hoba), niveauvolle Unterhaltungsliteratur, Biografien und Erinnerungen von Ausnahmepersönlichkeiten. Einen besonderen Schwerpunkt legt der Verlag seit einigen Jahren auf Übersetzungen aus kleineren Sprachen und Literaturen wie Georgien (Aka Mortschiladse), Vietnam (Le Minh Khue), Litauen (Alvydas Šlepikas), Rumänien oder Ungarn.
Im Reisesegment punktet er mit Stadt- und Reiseführern, Wanderführern, Kulturführern und Reiseberichten sowie Bildbänden, die einzelne Regionen stärker in den Fokus nehmen, u.a. auch Osteuropa und Grenzregionen.
In der Kunstsparte widmet sich der Verlag ostdeutscher Fotografie vor 89 (Harald Kirschner, Olaf Martens, Helga Paris), junger Fotografie der Gegenwart, Dokumentarfotografie sowie Künstlerkatalogen (Johannes Heisig, Günther Uecker). Ein besonderes Faible hat der Verlag immer noch für die Lost-Places-Fotografie (Marc Mielzarjewicz, Carina Landgraf).
Ein wichtiger Programmteil ist die Sparte Fach-/Sachbuch, in der der Verlag mehrere Buchreihen mit diversen Partnern betreut (u.a. Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt, Historische Kommission für Sachsen-Anhalt, Stiftung LEUCOREA). Hier und in Einzelveröffentlichungen werden wichtige Forschungsergebnisse veröffentlicht sowie Beiträge zu wichtigen aktuellen Debatten platziert.
Team
Mit einem kleinen Team von zehn festen sowie einigen freien Mitarbeiter*innen ist der Mitteldeutsche Verlag bis heute unverzichtbarer Bestandteil des Literaturbetriebs und bietet Programmvielfalt aus Mitteldeutschland. Trotz einiger grauer Strähnen und Fältchen ist in einem Alter, in dem er neugierig und gleichzeitig gelassen bleibt. Über 1 500 Autor*innen, Fotograf*innen, Übersetzer*innen und Herausgeber*innen haben dieses Jubiläum möglich gemacht.
Verlagsjubiläum
Das Verlagsjubiläum wird mit Aktionen im Buchhandel (Schaufenster, Sonderrabatte), einer Feier in der zweiten Jahreshälfte, Veranstaltungen (u.a. Podiumsdiskussion) sowie diversen Social-Media-Aktionen und Überraschungen für die Leserschaft begangen.
Presseinformation Mitteldeutscher Verlag / Red.